Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – nichts für KMU?
Wir erklären Ihnen in diesem Rechtstipp der Woche, welche Einschränkungen unzulässig sind und welche Vorgaben des Herstellers Sie beachten müssen.
1. Der Sachmangel als Auslöser für das Mängelhaftungsrecht
2. Wann liegt ein Sachmangel eigentlich vor?
3. Vorsicht: Gewährleistungsrechte auch bei Kenntnis des Verbrauchers
4. Mängelexemplare = Sachmangel = drohende Gewährleistungsansprüche?
5. Neue Anforderungen an die Vereinbarung über Abweichungen
6. Gebrauchtwarenverkauf aufgepasst - Auch hier gibt es Neuigkeiten!
7. Vorsicht: Handlungsbedarf!
8. Unser Tipp
Das neue Kaufrecht ist bald da! Sind Sie über die Änderungen und potentiell neue Abmahngefahren schon informiert? Zahlreiche Neuregelungen zur Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie werden gleich zu Beginn des Jahres 2022 in das Gesetz aufgenommen und erheblichen Einfluss auf den Online-Handel nehmen. Unter anderem beim B2C-Verkauf von Mängelexemplaren und Gebrauchtwaren sind künftig neue rechtliche Vorgaben einzuhalten, deren Umsetzung Händler und Händlerinnen vor große Herausforderungen stellen könnten.
Aber auch an anderen Stellen finden sich wichtige Neuerungen, über die Sie informiert sein sollten. In diesem Rechtstipp der Woche erfahren Sie alles, was Sie rund um das neue Kaufrecht wissen müssen.
Der Sachmangel ist der zentrale Begriff des Kaufrechts. Bei Vorliegen eines Sachmangels zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (im B2C-Verkehr ist das meist die Ablieferung) kann die Kundschaft Gewährleistungsrechte geltend machen. So kann z. B. Nacherfüllung verlangt, der Kaufpreis gemindert der Rücktritt des Kaufvertrages erklärt oder gar Schadensersatz gefordert werden. Ein Sachmangel ist also Auslöser für Gewährleistungsrechte.
Über eine Vielzahl der Neuregelungen im Gewährleistungsrecht ab 2022 haben wir Sie bereits in diesem Rechtstipp der Woche informiert.
Ab 01.01.2022 weist eine Sache gem. § 434 Abs. 1 BGB n.F. dann einen Sachmangel auf, wenn sie bei Gefahrübergang nicht zugleich den subjektiven und objektiven Anforderungen als auch den Montageanforderungen entspricht.
Aber was bedeutet das konkret? Mit subjektiven Anforderungen sind die konkret getroffenen Vereinbarungen mit Ihrer Kundschaft gemeint. Beispiel: Im Rahmen eines Kühlschrankverkaufs verabreden Sie und der Käufer, dass dieser rot sein soll und eine extra Gemüseschublade besitzt. Bei Lieferung stellt sich allerdings heraus, das der Kühlschrank grün ist und keine solche Schublade aufweist. Ein Sachmangel aufgrund fehlender subjektiver Anforderungen ist gegeben.
Objektive Anforderung hingegen meint, dass die Sache den branchen- bzw. produktüblichen Anforderungen genügen muss. Beispiel: Der verkaufte Kühlschrank muss zur Kühlung von Lebensmitteln geeignet sein, zudem müssen diesem u.a. das Zubehör und alle Anleitungen beiliegen, die die Kundschaft bei Kühlschränken erwarten kann.
Montageanforderung bedeutet, dass die Sache (soweit erforderlich) sachgemäß montiert wird oder montiert werden kann. Beispiel: Sie selbst montieren den Kühlschrank sachgemäß. Oder falls Sie keine Montage verabredet haben, geben Sie Ihrer Kundschaft eine Anleitung an die Hand, die eine sachgemäße Montage des Kühlschranks ermöglicht.
Sind alle drei Anforderungen ordnungsgemäß erfüllt , ist die Sache mangelfrei und es können letztlich auch keine Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden.
Wussten Sie schon: Obwohl die EU-Warenkaufrichtlinie besonders den B2C-Verkehr betrifft, gelten einige Neuregelungen (insb. Teile der Neustrukturierung des Sachmangelbegriffs) auch im B2B-Bereich.
Bisher galt: Kennt der Käufer bei Vertragsschluss den Mangel, so sind Gewährleistungsrechte ausgeschlossen (§ 442 Abs. 1 BGB). Doch Vorsicht: Gem. § 475 Abs. 3 S. 2 BGB n.F. wird diese Vorschrift bei B2C-Verträgen künftig nicht mehr anwendbar sein. Das heißt, dass Verbraucher Gewährleistungsrechte sogar dann geltend machen können, wenn sie bei Vertragsabschluss wussten, dass die Kaufsache mangelhaft ist.
Wichtig: Im B2B-Bereich bleibt alles beim Alten. § 442 BGB bleibt hier wie gewohnt anwendbar.
Wie angekündigt, können die Neuregelungen u.a. auch beim Verkauf von Mängelexemplaren relevant werden.
B-Ware, Mängelexemplare oder Ausstellungsstücke erfreuen sich dank großer Preisnachlässe und Nachhaltigkeitsaspekten zunehmender Beliebtheit. Doch genügen solchen Warenkategorien überhaupt den branchenüblichen Anforderungen oder liegt per se bereits ein Sachmangel vor?
Zur Beantwortung dieser Frage ist - wie auch nach bisherigem Recht - zunächst eine Vergleichsgruppe mit anderen (gleichwertigen) Mängelexemplaren, B-Waren oder Ausstellungsstückenzu bilden und anhand dieser zu bestimmen, ob die Abweichung noch im Rahmen der Üblichkeit liegt oder darüber hinaus geht.
Befindet sich die Abweichung noch im Rahmen der Üblichkeit (z. B. leichte Kratzer auf der Rückseite eines gebrauchten iPhones, die die Funktionalität jedoch nicht beeinträchtigen), liegt schon kein Mangel vor. Geht die Abweichung allerdings über die Üblichkeit hinaus (z. B. weist das Display des gebrauchten iPhones dunkle Stellen auf), läge ein Sachmangel vor. Entsprechend könnte der Käufer Gewährleistungsrechte geltend machen. Insoweit ändert sich eigentlich noch nichts, aber…
Geht die Abweichung über die Üblichkeit bei vergleichbaren Produkten hinaus, können sog. negative Beschaffenheitsvereinbarungen (§§ 434 Nr. 3 Nr. 2, § 476 Abs. 1 S. 2 BGB n.F.) eingesetzt werden. Mittels dieser kann vereinbart werden, dass die Abweichung vertragsgemäß sein soll, also schon gar kein Mangel für die konkrete Abweichung vorliegt und in der Konsequenz das Mängelgewährleistungsrecht diesbezüglich ausgeschlossen werden kann.
Während es bisher ausreichte, auf Abweichungen der Ware in der Produktbeschreibung transparent hinzuweisen (z. B. „Display defekt“, „nicht funktionsfähig“ oder „Bastlerstück“), um so eine negative Beschaffenheitsvereinbarung mit der Kundschaft zu treffen, genügt dies ab nächstem Jahr gegenüber Verbrauchern nicht mehr.
Stattdessen ist in § 476b Abs. 1 BGB n.F. geregelt, dass die Kundschaft eigens in Kenntnis zu setzen ist und die Abweichung ausdrücklich und gesondert vereinbart wird.
Das heißt: Nur wenn diese erhöhten Voraussetzungen erfüllt werden, können anschließende Gewährleistungsansprüche der Käufer wirksam ausgeschlossen werden.
Als Beispiel für eine ausdrückliche und gesonderte Erklärung im Online-Handel nennt die Gesetzesbegründung eine nicht-vorausgefüllte Checkbox oder eine sonstige Schaltfläche, die der Verbraucher anklicken oder in anderer Weise bestätigen muss.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Gebrauchtwaren im Laufe kurzer Zeit einen Mangel aufweisen ist aufgrund der bisherigen Nutzung um einiges höher als bei Neuwaren. Grundsätzlich verjähren die Gewährleistungsrechte im Kaufrecht innerhalb von zwei Jahren ab Gefahrübergang (§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB), dies gilt grundsätzlich auch bei Gebrauchtwaren!
Viele Verkäufer hegen jedoch den Wunsch, Gewährleistungsrechte vor allem bei Gebrauchtwaren zu verkürzen. Oft sind Gebrauchtwaren nur marktfähig, wenn man die Verjährung verkürzen kann.
An dieser Stelle können Sie zunächst einmal aufatmen: Auch mit Inkrafttreten der Gesetzesänderungen ist es grundsätzlich (wieder) möglich, die Verjährungsverkürzung auf ein Jahr beim B2C-Verkauf von Gebrauchtwaren zu vereinbaren!
Allerdings ist dies nach neuer Gesetzeslage nur dann noch möglich, wenn der Verbraucher über die Verjährungsverkürzung eigens informiert und diese ausdrücklich und gesondert vereinbart wird, § 476 Abs. 2 BGB n.F. Insoweit gleichen sich hier die Anforderungen, die bei negativen Beschaffenheitsvereinbarungen relevant werden. Auch in diesem Falle sind nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers nicht vorausgefüllte Checkboxen bzw. sonstige Schaltflächen im Bestellprozess einzusetzen.
Aufgepasst: Sollten Sie keine wirksame ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung beim Verkauf von gebrauchten Waren an Verbraucher im Bestellprozess platzieren können, gilt hingegen die Regelverjährungsfrist von zwei Jahren!
Übrigens sind reine B2B-Verkäufe von der gesetzlichen Neuregelung nicht betroffen. Insoweit können die Verjährungsfristen wie vor der Gesetzesreform
Nach diesen neuen Anforderungen genügt es also nicht mehr, wenn Sie die gesetzliche Verjährungsfrist von Gewährleistungsrechten bei Gebrauchtwaren im B2C-Bereich ausschließlich über AGB auf ein Jahr verkürzen. Alleinstehende verjährungsfristverkürzende AGB-Klauseln werden im B2C-Bereich vielmehr funktionslos und müssen aus den AGB entfernt werden. Andernfalls droht Abmahngefahr!
Hinweis: Unser Rechtstexter wird auf die kommende Gesetzesänderung vorbereitet. Hiermit können Sie in der Zwischenzeit bequem Rechtstexte für die jeweilige Rechtslage generieren!
Das neue Kaufrecht kann also hohen Anpassungsbedarf bedeuten. Sie sollten sich daher informieren, welche Änderungen für Sie relevant werden. Aber auch inhaltlich sollten Sie sich - trotz des unmittelbar bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts - unbedingt rechtzeitig mit den Neuregelungen vertraut machen, denn für jeden ab dem 01.01.2022 verkauften Artikel gilt dann bereits das neue Mängelhaftungsrecht! Wer sich bereits jetzt vorbereitet, kann nach dem alljährigen anstrengenden Weihnachtsgeschäft vielleicht ein wenig entspannter ins neue Jahr rutschen.
Benötigen Sie weitere Hilfe? Gerne können Sie mit uns einen Termin zur telefonischen Beratung vereinbaren, wir unterstützen Sie dabei!
Florian Güster ist seit Januar 2021 Legal Consultant (Legal Tech) bei der Trusted Shops GmbH und Rechtsanwalt bei FÖHLISCH. Er absolvierte das Studium der Rechtswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit Schwerpunkt im internationalen und europäischen Recht. Darauf folgte sein Referendariat am Oberlandesgericht Nürnberg sowie in Valencia / Spanien. Während des Referendariats war er in Nebentätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht von Herrn Prof. Dr. Wegener in Erlangen beschäftigt; während dieser Zeit nahm er u.a. auch Lehrtätigkeiten wahr. Seither war er vor allem als Legal Counsel für deutsche Unternehmen im Bereich E-Commerce tätig, unter anderem in der Rechtsabteilung des Münchner Start-Ups FlixBus. Bei Trusted Shops und FÖHLISCH ist er mitverantwortlich für die Entwicklung und Fortentwicklung von Legal Tech-Produkten.
Wir erklären Ihnen in diesem Rechtstipp der Woche, welche Einschränkungen unzulässig sind und welche Vorgaben des Herstellers Sie beachten müssen.
Großer Paukenschlag in Brüssel: Die Europäische Kommission hat den neuen Angemessenheitsbeschluss – das Trans-Atlantic Data Privacy Framework ("TADPF"