Stellen Sie sich vor, Sie haben eine neue Kundin oder einen neuen Kunden gewonnen und den ersten Auftrag erledigt. Die Kundin bzw. der Kunde erteilt Ihrer Arbeit die Freigabe und Sie spielen im Kopf schon die vielen möglichen Folgeaufträge durch.
Und dann das: Die Kundin oder der Kunde bezahlt Ihre bzw. seine erste Rechnung nicht. Komisch eigentlich, denn Sie haben sich mit Ihrer Ansprechpartnerin bzw. Ihrem Ansprechpartner wirklich gut verstanden und als gesagt wurde, sie bzw. er sei mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden, klang das auch glaubwürdig.
Die geschilderte Situation ist nicht ungewöhnlich, stellt Freelancer*innen und Unternehmen aber vor ein Dilemma: Wie soll man nun am besten vorgehen, ohne die Kundin bzw. den Kunden zu verprellen und gleichzeitig nicht auf sein Geld zu verzichten?
Meine Empfehlung aus jahrelanger Erfahrung als Freelance-Texter: Nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen.
Konkret meine ich damit, dass man in solch einer Situation nicht gleich die erste Mahnung schicken sollte – sondern erst einmal alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen.
Denn eines ist klar: Wer sofort die erste Mahnung verschickt, riskiert, die Kundin bzw. den Kunden zu brüskieren und die Kundenbeziehung häufig unwiederbringlich zu beschädigen. Und das noch bevor die Zusammenarbeit überhaupt richtig losgegangen ist.
Doch warum brüskieren? Ganz einfach: Eine Mahnung ist nicht einfach eine freundliche Zahlungserinnerung, sondern enthält eine Reihe von Botschaften, die von Kundinnen und Kunden schnell falsch verstanden werden können.
So fühlen sich Kundinnen und Kunden schnell an den Pranger gestellt – mit der Anschuldigung, dass sie die Rechnung gar nicht bezahlen wollen. Auch der Titel „Mahnung“ lässt sich dabei nicht ignorieren. So schlägt mit einer Mahnung ganz schnell der Ton von einem freundlichen Umgang miteinander in eine unangenehme Atmosphäre um.
Schließlich kennen die meisten von uns den Begriff „Mahnung“ noch aus der Schule von der Ermahnung durch die Lehrerin bzw. den Lehrer. Ermahnungen gibt es außerdem bei der Bundeswehr und auch die Abmahnung von der Chefin oder dem Chef darf nicht vergessen werden.
Sie sehen: Alles keine Situationen, in denen man sich besonders wohl fühlt. Ähnlich wird es der Kundin oder dem Kunden gehen, wenn er oder sie Ihre Mahnung erhält.
Und hier schwingt noch ein weiterer Aspekt mit – nämlich die Umkehr der Kundenbeziehung: Denn mit einer Mahnung heißt es nicht mehr „Der Kunde ist König“, sondern „Die Leistungserbringerin oder der Leistungserbringer befiehlt bzw. mahnt“.
Diese Tatsache wirkt zwar auf den ersten Blick wie ein kleines Detail, kann aber einen großen Unterschied machen. Denn die Ansprechpartner*innen im Unternehmen sind es meist gewohnt, dass sie „das Sagen“ haben. Manche haben sich vielleicht auch genau deswegen diesen Beruf ausgesucht. Da kann ein Rollentausch schnell kränkend wirken und das Gegenüber überfordern.
Doch wie kann man es besser machen? Die Antwort: Mahnungen und die damit verbundenen negativen Aspekte für die Kundenbeziehung lassen sich ab einem gewissen Zeitpunkt nicht vermeiden.
Doch davor sollte man alles versuchen, damit es gar nicht erst zu einer Mahnung kommt: Am besten mit einer höflichen Zahlungserinnerung. Die kann entweder mündlich oder schriftlich erfolgen und soll die Kundin oder den Kunden ohne versteckte Botschaften freundlich daran erinnern, dass eine Zahlung aussteht.
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Denn dass die Kundin bzw. der Kunde nicht bezahlen will, ist ja gar nicht sicher. Schließlich kann es sein, dass die Rechnung irgendwo untergegangen ist oder die Überweisung aufgrund eines Zahlendrehers nicht durchgeführt werden konnte.
Ein weiterer Grund für eine ausstehende Zahlung könnte sein, dass die Kundin bzw. der Kunde gerade nicht über die liquiden Mittel verfügt – grundsätzlich aber bereit ist, für die Rechnung zu bezahlen. Gerade während der Corona-Krise, in der viele Unternehmen unter Umsatzeinbußen leiden, ist dies keine vollkommen abwegige Möglichkeit.
Was auch immer der Grund ist, Sie werden ihn wahrscheinlich erfahren, wenn Sie die Kundin oder den Kunden höflich an die Zahlung erinnern.
Der Vorteil: Ohne den freundlichen Ton umschlagen zu lassen, können gemeinsam Lösungen gefunden werden. Wurde die Rechnung verlegt, kann sie noch einmal geschickt werden. Gab es einen Zahlendreher, kann eine neue Überweisung veranlasst werden.
Gibt es gerade keine liquiden Mittel, kann ein Zahlungsaufschub vereinbart werden.
Und will die Kundin bzw. der Kunde die Rechnung tatsächlich nicht bezahlen, kann man gemeinsam herausfinden, was der Grund dafür ist.
Möglicherweise gibt es noch eine kleine Korrektur zu erledigen, nach der die Rechnung dann auch bezahlt wird. Sie sehen: Wie so häufig ist auch hier Kommunikation der Schlüssel, um eine Kundenbeziehung erfolgreich auch durch schwierige Wasser zu manövrieren.
Doch wie formuliere ich eine freundliche Zahlungserinnerung, ohne dass sie vom Gegenüber falsch verstanden wird?
Meine Empfehlung ist es, sich einen Anlass für die Kontaktaufnahme zu überlegen und die nicht beglichene Rechnung in das Gespräch oder die Mail mit einfließen zu lassen. Nicht bezahlte Rechnungen sind Ihrem Gegenüber oft unangenehm und es hilft, diesen Druck mit einer „Cover-Story“ etwas abzuschwächen.
Und die Coverstory für die Zahlungserinnerung kann alles Mögliche sein:
Sie können Ihrer Kundin oder Ihrem Kunden mitteilen, dass Sie in der nächsten Woche im Urlaub sind und für weitere Aufträge nicht zur Verfügung stehen. Sie können sich erkundigen, ob die erbrachte Leistung das erhoffte Ergebnis gebracht hat.
Oder Sie melden sich, um der Kundin oder dem Kunden mitzuteilen, dass Ihnen noch eine mögliche Ergänzung der Leistung eingefallen ist: Wenn ich als Texter zum Beispiel einen Blogartikel verfasst habe und es in der Zwischenzeit bei diesem Thema Neuigkeiten gibt, kann ich vorschlagen, einen zweiten Blogartikel zu diesem Thema zu schreiben.
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Doch das Wichtigste kommt zum Ende des Gesprächs oder der E-Mail: Dann sollten Sie fragen, ob die Kundin bzw. der Kunde die Rechnung erhalten hat oder ob es bezüglich der Zahlung noch irgendetwas zu klären gibt.
Welche „Cover-Story“ Sie für die freundliche Zahlungserinnerung wählen, ist egal – Hauptsache sie passt zu Ihnen und wirkt authentisch. Und auch wenn die Empfängerin oder der Empfänger nach dem Gespräch oder der Mail versteht, dass es in diesem Gespräch eigentlich gar nicht um Ihre Urlaubstage ging, sondern um die ausstehende Rechnung, ist das okay.
Denn man wird die elegante Art, mit der Sie an die Zahlung erinnern wollten sehr wahrscheinlich positiv in Erinnerung behalten.
Und damit kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt von höflichen Zahlungserinnerungen: Wenn sie richtig ausgesprochen werden und keine böse Absicht der Kundin bzw. des Kunden suggeriert wird, können sie sogar dazu beitragen, die Kundenbeziehung zu festigen.
Die Kundin oder der Kunde fühlt sich nicht falsch verstanden, sondern auch in Krisensituationen respektvoll behandelt. Und genau dieser Umgang miteinander kann eine jahrelange, erfolgreiche Geschäftsbeziehung einleiten.
Natürlich gilt: Wenn auf eine (oder zwei) Erinnerung(en) hin nicht bezahlt wird, sollte die erste Mahnung versandt werden. Schließlich gibt es auch jene Kundinnen und Kunden, die den Druck brauchen, um zu bezahlen. Aber das sind meiner Erfahrung nach wenige – und bei den meisten Kundinnen und Kunden führt auch die sanfte Methode zum Erfolg. Viel Spaß beim Ausprobieren!
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